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ABSPERRBAND

Kaschmigloffs Masse ist ein schweizerisch-deutsches Kollektiv und wurde von Noemi Egloff, Milena Kaute und Fiona Schmid gegründet. Bei Kaschmigloffs Masse werden Materialien zu Mitspielern und Aktanten, die ihre ästhetische Wirkung, symbolische Aussagekraft, ihre spielerische Verlockung und ihr transformatives Potenzial auf der Bühne zeigen.

Im ersten Projekt von Kaschmigloffs Masse lädt das Kollektiv das Material «Absperrband» ein. Ein Material, dass unfassbar unsexy ist. Ein Material, das an verbaute, schlimme Stadtraumentwicklungen, an ewige laute Baustellen und an die erste Phase von Corona im Jahr 2021 erinnert. Ein Material, das als Absperrung von der Polizei genutzt wird bei Unfällen und Verbrechen. Jedes Kind versteht was es bedeutet. STOP! HIER DARFST DU NICHT WEITER! Es geht um Abgrenzung, Grenzziehungen im (öffentlichen und theatralen) Raum. Es geht aber auch um ein freies, wildes Spiel mit dem Absperrband. Wir lassen das Absperrband von der Rolle, lassen es baumeln, durchhängen, häufen es auf einen kleinen Berg, überhäufen den menschlichen Körper damit, werden zum Absperrband-Monster und lassen es als langen Drachen im Raum tanzen. Wir erkunden das Material jenseits von seiner ursprünglichen Bestimmung und kehren dann wieder zu seiner Bestimmung zurück. Wir spannen es im Theaterraum auf, trennen imaginäre Räume voneinander, trennen das Publikum in willkürliche Gruppen, ziehen Grenzen auf.

Das Projekt «Absperrband» befindet sich aktuell in der Recherchephase. Dabei ist noch offen, was für ein Format die finale Umsetzung haben wird. Das Theater Stadelhofen hat dem Projekt eine insgesamt dreiwöchige Residenz im Rahmen des «Theater der Dinge» zur Verfügung gestellt. In dieser Residenz konnte das Kollektiv eine Recherche mit dem Material im öffentlichen Raum und im Bühnenraum durchführen. Im Februar 2021 zeigte Kaschmigloffs Masse im Theater Stadelhofen die Rechercheergebnisse in Form einer begehbaren, performativen Installation. Aktuell berät sich das Kollektiv darüber, wie es mit dem Projekt weitergehen wird.

https://www.instagram.com/kaschmigloffs_masse/?hl=de

Wer noch mehr wissen will über die Arbeit von Kaschmigloffs Masse mit Material, liest hier weiter.

Wie arbeiten wir über/mit/durch das Material Absperrband?  

Im Probenprozess lassen wir uns vom Material lenken und richten die Dramaturgie des Projektes nach seinen “Bedürfnissen” und Eigenschaften aus. Wir fragen danach, was das Material uns erzählt. Oft erzählt ein Material durch seine Beschaffenheit und sein Auftreten, durch die Symbolik und die Assoziationen, welche wir mit dem Material verknüpfen, etwas. Oft erzählt das Material auch etwas über Menschen, indem es zeigt, wie die Menschen mit ihm umgehen. Mit all diesen Faktoren wollen wir spielend umgehen und dabei neue Entdeckungen rund um und im Material Absperrband machen. 

Wieso arbeiten wir über/mit/durch Material? 

Noemi: Menschen dominieren Materialien und formen sie nach ihrem Willen. Ich schnitze einen Löffel und zwinge das Holz dazu, diese Form anzunehmen. Für mich steht dieser Umgang symptomatisch für den beherrschenden Umgang des Menschen mit der Natur. Gleichzeitig fasziniert uns die Natur auch, gerade in ihrer Masse an Material – wir stehen überwältigt vor einem Bergmassiv oder vor dem Meer und fühlen uns plötzlich ganz klein und bedeutungslos. Mich interessieren Texte aus dem Posthumanismus und dem “New Materialism”, sowie Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie. Diese Theorien hinterfragen den Herrschaftsanspruch des Menschen über die Welt und stellen Nicht-Menschliches in den Vordergrund. In meinen Projekten versuche ich, die Herrschafts des Menschen über die Natur zu hinterfragen. Für mich sind Materialien Akteure, denen ich begegne – über die ich staune, wie über das Meer. Ich werfe mich in Material(-kostüme) um als Mensch zu verschwinden – und als Mensch-Material-Hybrid wieder aufzutauchen. Und zwar nicht nur mit natürlichen-biologischen Material, sondern auch mit Industrieabfällen und Verpackungsmaterialien. 

Milena: Ich mag das Profane daran. Sich auf ein Material einzulassen und dann in ein wildes Spiel zu geraten. Man kann stundenlang proben, ohne ein Wort zu sprechen. Es ist möglich, eine eigene Form der Kommunikation zu etablieren und somit eigensinnige Erzählweisen zu finden.

Fiona:  Ich suche nach Begegnungen mit dem Material, die viel näher und körperlicher sind, als alltägliche Begegnungen. Die eigene Körperlichkeit lässt sich durch Material verändern. Das Material wird zum Mitspieler, Gegenspieler, Freund, Feind. Es gibt mir Widerstand, aber auch Halt, fordert mich heraus und lässt noch nicht entdeckte Seiten hervorholen. Wichtig dabei ist mir, dem Material immer wieder neu zu begegnen und die Möglichkeiten eines Zusammenspiels völlig auszuschlachten.