WIESO HAT DIE MENSCHHEIT EINE MASCHINE ERFUNDEN, DEREN SINN EINZIG UND ALLEIN DARIN BESTEHT, AN IHR ZU SCHEITERN?
Ich sass bei einer Pferdemesse 2018 zum ersten Mal auf einer Rodeo-Anlage. Die Kraft der Maschine und ihre abrupten Umdrehungen überraschten mich völlig. Die Maschine pfefferte mich nach wenigen Sekunden mit voller Wucht in das Luftkissen am Boden. Mir bliebt die Luft weg und als ich mich aufrappelte, zitterten meine Beine. Ich sass ein zweites Mal auf. Nun konnte ich die Bewegungen der Maschine besser einschätzen. Ich musste jegliche Kontrolle aufgeben und mich den Bewegungen der Maschine anpassen. Hochkonzentriert hielt ich ganze 43 Sekunden durch und brach den Tagesrekord. Gewonnen habe ich nichts. Dafür blieb eine Idee in meinem Kopf: Diese Maschine mit Akrobat*innen auf einer Theaterbühne zu untersuchen. Denn meiner Meinung nach hat eine Rodeo-Anlage enormes performatives Potenzial. Als Akteurin auf der Bühne ist die Maschine in ihren Bewegungen, in ihrer Wirkkraft, aber auch in ihrem Zusammenspiel mit menschlichen Körpern ästhetisch gesehen vielversprechend. Die Rodeo-Anlage stellt uns aber auch vor das grosse Thema des Fallens und Scheiterns.
In diesem Projekt geht es um das unangenehme Thema “Scheitern” und die Frage nach dem Wert des Scheiterns in einer Leistungsgesellschaft. Dafür holen wir eine Rodeomaschine auf die Bühne und untersuchen das Scheitern und Herunterfallen als eigene künstlerische Disziplin. Über intime, ungescriptete Momente des Scheiterns möchten wir mit dem Publikum gemeinsam das Scheitern als verbindende Erfahrung erleben.
Kann Scheitern ein subversiver Akt sein, mit welchem wir den Perfektionismus, Grössenwahn und Leistungsdruck unserer Gesellschaft in Frage stellen? Welchen Wert hat das Scheitern? Kann uns vielleicht gerade das Scheitern wieder zu einer kollektiv handelnden Gesellschaft verbinden? Wie zeigt sich Scheitern auf der Bühne? Wie vollzieht sich das Scheitern an den Körpern auf der Bühne? Wie ist es, als weiblicher Körper auf der Bühne zu scheitern und was sind geschlechtsspezifisch konstruierte Gesten des Scheiterns? Treten wir durch Momente des Scheiterns in eine einzigartig intime Beziehung zu unserem Publikum? Und können wir durch die körperliche Auseinandersetzung mit dem Thema eine neue artistische Disziplin des Fallens und Scheiterns entwerfen?
Im Februar 2022 hatte das Projekt eine zweiwöchige Residenz im Zirkusquartier Zürich inne. Im April 2022 durften wir eine Woche im Petitthéâtre im Le Spot, Sion residieren. Die Rechercheergebnisse haben uns darin bestärkt, mit der Rodeomaschine und dem Thema Scheitern weiterzumachen.
Das Projekt wird unterstützt durch